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Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst

Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst 'Was sind Bilder von uns, wenn sie uns in uns selbst einschließen?' Der Roman versucht diese Räume auszuloten, sie zu beschreiben und versucht zugleich sie zu überschreiten – inhaltlich wie formal. Teilweise in einem Stakkato-Ton geschrieben, einer inneren oder gedachten äußeren, mal mahnenden, mal elterlichen, mal besorgten und mal genervten Befragung, erzählt die Ich-Person im Roman Erlebnisse aus dem eigenen Leben, die neben vielem anderem vor allem auch die Durchgängigkeit von rassistischen Zuschreibungen und Lebensbedingungen deutlich werden lassen – im Vergleich des Lebens in Deutschland und den USA, im eigenen Aufwachsen in der ostdeutschen Provinz,...

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Arif Anwar: Kreise ziehen

Arif Anwar: Kreise ziehen Der Roman spannt, in unterschiedliche Kapitel aufgeteilt, einen zeitlichen Bogen vom zweiten Weltkrieg bis in das Jahr 2004 und einen räumlichen von Indien/Pakistan/Bangladesch bis in die USA. Verbunden sind die Zeiten und Räume durch das Schicksal und Leben von Personen, ihre Vorfahren und ihre Kinder, ihre sozialen Kontakte und ihre gewaltvollen Gleichzeitigkeiten durch Krieg und Kolonialismus. Die Kapitel sind zu Beginn eine schnelle Abfolge von Lebensfragmenten und enden jeweils in Situationen krisenhafter Zuspitzungen, um in eine andere Epoche und zu anderen Menschen zu springen, deren hier erzähltes Lebensfragment dann wiederum ebenso krisenhaft mitten in einer schwierigen...

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Akwaeke Emezi: The Death of Vivek Oji

Akwaeke Emezi: The Death of Vivek Oji Vivek, das erwachsene, um die 24 Jahre alte Kind von Kavita und Chika, liegt eines Tages nackt in Stoff gehüllt und tot auf der Veranda des Hauses der Eltern und wird dort von Kavita, der Mutter, gefunden. Die Geschichte beginnt mit dieser Szene mit Viveks Leiche – und von dieser aus werden mit wechselnden Perspektiven das Leben von Vivek von seiner Geburt an oder sogar davor bis zu seinem Tod erzählt. Wie die Leiche auf die Veranda gekommen ist, ist vollkommen unklar und bringt die Mutter dazu, sich nicht mit Wortlosigkeiten und halben...

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Usama Al Shahmani: Im Fallen lernt die Feder fliegen

Usama Al Shahmani: Im Fallen lernt die Feder fliegen Dieses Buch ist der zweite Roman von Usama Al Shahmani nach dem beeindruckenden und berührenden ersten Roman 'In der Fremde sprechen die Bäume arabisch'. Wenn der erste Roman so herausragend war in Bezug auf Sprache, Inhalt, Konstruktion und Durchdachtheit, ist es in meiner Leseerfahrung manchmal so, dass ein nachfolgender Roman etwas dagegen abfallen kann. Dies ist mit dem zweiten Roman von Usama Al Shahmani in keiner Weise der Fall: Auch dieser Roman ist zutiefst berührend, kunstvoll aufgebaut und ein umfassendes Lesevergnügen. Als weiße Person habe ich wieder einmal sehr viel gelernt...

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Regina Porter: Die Reisenden

Regina Porter: Die Reisenden Das Diagramm auf den Innenseiten des Buches verdeutlicht hervorragend, was dieses Buch zeigt: ein Netz von Beziehungen zwischen Menschen über zwei verschiedene Familien hinweg, die sich über die Jahrzehnte miteinander verweben, begegnen, nicht kennen, parallel leben – und doch in allem so unterschiedliche Möglichkeiten haben und leben können: die eine Familie wird diskriminiert durch Rassismus, die andere ist privilegiert in Bezug auf Rassismus. Dies ist gebrochen und verfließend in intersektionalen Lebensverhältnissen, in denen Gender, Klasse, insbesondere Bildung und Geld, sowie Sexualität auch entscheidende Rollen dafür spielen, welche Chancen die jeweiligen Menschen haben und mit welchen diskriminierenden...

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Usama Al Shahmani: In der Fremde sprechen die Bäume arabisch

Usama Al Shahmani: In der Fremde sprechen die Bäume arabisch Was ein sanftes Buch! Der Schmerz über das Verschwinden des Bruders im Irak in Zeiten der Gewalt, das schwierige Ankommen des Ich-Erzählers in der Schweiz – beides wird hier zu einem äußerst lesenswerten Erzählstück miteinander verwoben. Der Ich-Erzähler beginnt mit einem Wundern darüber, dass in der Schweiz gewandert wird. Was soll wandern sein? Und warum sollten Menschen wandern? In seiner Verzweiflung – über die Ferne zum Irak und der Familie dort, über die administrativen Verhältnisse in der Schweiz, über das Verschwinden des Bruders in Bagdad – wendet sich der Erzähler...

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Tanya Tagaq: Eisfuchs

Tanya Tagaq: Eisfuchs Was heißt es in der Arktis – von Deutschland aus gesehen – am kalten Ende der Welt aufzuwachsen, in einer kleinen Siedlung weit weg von den Normalitäten von Großstädten und wärmeren Landschaften? Was heißt es als Mädchen eingelesen zu werden und sexualisierte Gewalt zu erfahren, sexistische Diskriminierung zu verinnerlichen und die von außen erlebte Gewalt auch gegen sich selbst auszuagieren? Der Roman von Tanya Tagaq stellt dies dar. Häufig in schonungsloser Direktheit, die den Schmerz beim Lesen förmlich körperlich spüren lässt. Häufig auch versucht Tanya Tagaq durch unterschiedliche Genres Ausdrucksmöglichkeiten für eigentlich schmerzhaft Unausdrückbares zu finden –...

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Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other

Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other Ich mag Romane, die die Leben unterschiedlicher Menschen miteinander in eine Verbindung setzen, sehr sehr gerne. Genau das macht 'Girl, Woman, Other' in einer unglaublich komplexen und spannenden Weise. Alles beginnt damit und ist gerahmt davon, dass Ammas Theaterstück an dem Abend, an dem die Erzählung des Buches einsetzt, im Nationaltheater in London Premiere haben wird. Ein großer Tag: Das Theaterstück einer Schwarzen Person, die sich als Frau versteht und eine feministische Verortung hat, wird im Nationaltheater aufgeführt werden. Die Nahpersonen von Amma werden kommen, ältere Beziehungen und jüngere Kontakte, biofamiliäre Beziehungen und vor allem...

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Karen Köhler: Miroloi

Karen Köhler: Miroloi Für welche Personen würde ich das Buch zum Lesen empfehlen? Grundsätzlich: Für alle. Ich finde das Buch grandios. Grandios geschrieben, konzipiert, umgesetzt. Es hat so unglaublich viele wichtige Ebenen einer Auseinandersetzung zu Gewaltdimensionen. Für Menschen, die über sehr grundlegende Lebensfragen miteinander diskutieren wollen, würde ich es unbedingt zum gemeinsamen oder parallelen Lesen empfehlen. Eine Insel, im Mittelmeer. Fernab vom sonstigen Leben. Irgendwann im letzten Jahrhundert, es gibt Hubschrauber auf der Welt, Beamte, Tageszeitungen. Es gibt noch kein Internet, kein Telefon. Alles das gibt es auf der Insel nicht. Ein Hubschrauber fliegt einmal über die Insel, zur großen...

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Claire-Louise Bennett: Teich

Claire-Louise Bennett: Teich Ich mag Bücher, die mir das Gefühl geben, dass es sein kann, ein Leben, welches nicht komplett in Leistungslogiken aufgeht, sondern nach anderen Prämissen mäandernd, nachdenklich, offen und weit ab von gesellschaftlichen Normalitätslogiken ist. Ich mag Bücher, die mir das Gefühl geben, dass es für andere auch schwierig sein kann rauszugehen, Ordnung zu halten, innen und außen, Ängste positiv bei sich zu lassen, einen eigenen Rhythmus zu finden, mit so gesellschaftlich selbstverständlich und klaren Job- und Beziehungslogiken zu hadern, sich selbst zu verstehen und andere stehen zu lassen. Ein solches Buch ist Teich. Ein Buch über das...

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