Gaea Schoeters: Trophäe

Worum geht’s?

Hunter White, ein reicher im Immobilien- und Aktiengeschäft erfolgreicher U.S.Amerikaner, ist in einer edlen Safari-Lodge als einziger Gast irgendwo auf dem afrikanischen Kontinent. Er ist ein passionierter Großwildjäger, der in der Lodge seines Freundes van Heeren ist, um seine Big Five ‚vollzumachen‘: nur ein Nashorn fehlt im noch, um die Gruppe der großen fünf Wildtiere geschossen zu haben. Doch die Jagd auf das zertifiziert zum Töten freigegebene Nashorn misslingt – sogenannte Wilderer sind schneller und Hunter White, erfolgsgewöhnt, tobt. Denn nur selten und für sehr viel Geld bietet sich die Möglichkeit auf eine solche Jagd.

Da macht van Heeren ihm ein anderes, zunächst indirektes Angebot, indem er Hunter White fragt, ob er schonmal etwas von den Big Six gehört habe – dem Erlegen eines Menschen. Nach anfänglicher Entrüstung ändert sich dies bei Hunter White in eine jägerische Besessenheit – und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Der Roman ist ein Thriller für mich (dens ich keine Thriller lese), und es gab eine schlaflose Nacht, in der ich den Inhalt und die vermutete weitere Handlung einfach nicht ausgehalten habe in ihren möglichen Konsequenzen.

Der Roman führt unterschiedliche, kolonialistische Selbstverständlichkeiten reproduzierende Argumentations- und Lebensweisen geschickt vor und schickt die Lesenden auf eine Reise zu ihren eigenen ethischen und moralischen Normen – und inwiefern diese geprägt sind durch Kolonialismus. Was ist skandalös? Wessen Handlungen empfinde ich beim Lesen als gerechtfertigt? Welches weiße Selbstverständnis wird hergestellt und wann und mit wens empfinde ich Mitgefühl? Diese Fragen stellen sich im Laufe eines höchste spannenden Handlungsverlaufs ein, in dem Themen wie Handlungsmächtigkeit, Abhängigkeit und Vertrauen höchst geschickt und differenziert am Beispiel konkreter Figuren eröffnet werden.

Dieser Roman zeigt letztendlich auch, dass es möglich ist, als Autorens sich aus einer privilegiert weißen Position heraus komplex und wichtig mit Themen weißer Privilegierung zu beschäftigen und dass Romane noch mal eine ganz andere Möglichkeit haben, Lesenden die umfassende Gewalt von Kolonialimus bis heute nahezubringen, als es Sachtexte vielleicht vermögen.

Was sonst noch?

Eine brilliant geschriebene und von Lisa Mensing hervorragend übersetzte Leseerfahrung, die das Potential hat, weißen Personen die eigenen privilegierten Positionen umfassend und auch emotional anhand einer konkreten Geschichte deutlich zu machen. Der Roman ist eine umfassende und komplexe Kritik am ungebrochenen Fortbestehen von Kolonialismus und seiner rhetorischen Weichspülung. Eine starke Kritik am westlichen kapitalistischen Modell. Eine scharfsichtige Analyse der komplexen Verwebung von Lebensbedingungen und Zuständen in kapitalistisch-kolonialistische Logiken, die unhintergehbar erscheinen. Eine Vorführung eines weißen Selbstbeschwichtigungs- und Legitimierungsdiskurses zu struktureller Gewalt gegen Menschen und Tiere auf dem afrikanischen Kontinent.

Eine unbedingte und dringende Leseempfehlung!

[Rezension von Lann Hornscheidt]

Gaea Schoeters. Trophäe (2024). Wien: Zsolnay.
Übersetzung aus dem Niederländischen von Lisa Mensing.

Link zum Roman auf der Homepage des Verlags

Copyright Coverfoto: Zsolnay/Hanser