Tanya Tagaq: Eisfuchs

Tanya Tagaq: Eisfuchs

Was heißt es in der Arktis – von Deutschland aus gesehen – am kalten Ende der Welt aufzuwachsen, in einer kleinen Siedlung weit weg von den Normalitäten von Großstädten und wärmeren Landschaften? Was heißt es als Mädchen eingelesen zu werden und sexualisierte Gewalt zu erfahren, sexistische Diskriminierung zu verinnerlichen und die von außen erlebte Gewalt auch gegen sich selbst auszuagieren? Der Roman von Tanya Tagaq stellt dies dar. Häufig in schonungsloser Direktheit, die den Schmerz beim Lesen förmlich körperlich spüren lässt. Häufig auch versucht Tanya Tagaq durch unterschiedliche Genres Ausdrucksmöglichkeiten für eigentlich schmerzhaft Unausdrückbares zu finden – Gedichte, die höchst poetisch wie Heilung auf den Wunden der Narration liegen.

Die Erzählung insgesamt, dicht und intensiv zu lesen, ist die Erzählung des Aufwachsens eines Mädchens in gewaltvollen Normalitäten, nahe an einer eisigen Natur. Es ist auch eine mythische Erzählung dazu, wohin der Schmerz geht in der Welt und was dies macht mit Menschen. Es ist eine Erzählung, die förmlich schreit nach Mitmenschlichkeit und Liebe – und wie wichtig dies ist für die Welt. „Könnte die Welt nur ein Ort der Heilung werden“ ist ein zentraler Satz in dem Buch.
Unbedingt lesenswert!

Für wens ist das Buch zu lesen zu empfehlen?
Menschen, die sich berühren lassen wollen von dem Eintauchen in arktische Landschaft und eisige Gewalt und dem Suchen nach Rettung und Selbstlieben.

Was sonst noch?
Wie jetzt schon mehrfach geschrieben – es gibt Gewaltdarstellungen in dem Buch. Mir ist es immer wichtig, darauf vorbereitet zu sein. Ich verstehe, dass die Direktheit von Gewalt auch berühren kann oder soll und auch eine Aussage ist. Trotzdem ist es für mich wichtig, darauf vorbereitet zu sein vor dem Lesen. Das Ansprechen von Gewalt, um heilen zu können, wird in dem Buch vollzogen. Damit ist es selbst ein wichtiger Baustein dafür, dass die Welt ein Ort der Heilung werden kann.

[Rezension von Lann Hornscheidt]

 

Tanya Tagaq (2020): Eisfuchs. München: Verlag Antje Kunstmann

Link zum Roman auf der Homepage des Verlags

Link zur Website von Tanya Tagaq

Copyright Coverfoto: Verlag Antje Kunstmann