Leslie Marmon Silko: Ceremony
1977 erstmal erschienen, ist Ceremony die Geschichte von Tayo, einer Indigenen Person, die für die USA als Soldat am zweiten Weltkrieg teilnimmt zusammen mit Tayos Kusin, der dort stirbt. Zurück in der Heimat als schwer traumatisierte Person ist es schwierig für Tayo wieder Fuß zu fassen. Die eigene Familiengeschichte – eine von der Indigenen Community verstoßene Mutter, ein Aufwachsen ohne diese als Kind einer Indigenen und eines unbekannten Weißen, das Gefühl eigenen Versagens, indem Tayo nicht auf den eigenen Kusin aufpassen konnte, der Tod der einzigen Person aus der Familie, die Tayo neben dem Kusin Halt gegeben hat und eine feindlich-rassistische nordamerikanische Gesellschaft führen dazu, dass Tayo zusammen mit anderen Indigenen Kriegsveteranen die Erinnerungen in Alkohol, Spielexzessen und anderen Formen sich zu betäuben zu ertränken versucht – und letztendlich kurz davor ist am Leben zu scheitern.
In dieser Situation verhilft die Großmutter Tayo dazu, mit einer Indigenen Zeremonie zu beginnen, die Tayo Heilung bringen soll. Dieser Weg ist vorsichtig und langsam und mit unzähligen Rückschlägen erzählt und liest sich phasenweise fast so spannend wie ein Krimi.
In den 70er Jahren geschrieben und in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts spielend, ist das Buch nichtsdestotrotz in vieler Hinsicht hochaktuell. So beinhaltet es zahlreiche Analysen dazu, wie Kapitalismus und destruktive Herrschaft die Welt in eine Spirale der Destruktion treiben, die nur noch schwer zu durchbrechen ist – hier genau setzt die Idee der Indigenen Zeremonie an, wie Tayo sie in dem Buch durchläuft.
Kapitalistische Systeme wie Psychiatrien, Gefängnisse und Konsum werden hier als Teile einer fortgesetzten Bedrohung des Überlebens der Welt deutlich wie auch das Fehlen eines VerbundenSeins von Menschen mit anderen – im Krieg ins Extrem gesteigert – sowie mit Natur.
Was sonst noch?
Die aktuellen Bezüge zur Situation der Welt – die Querverbindungen zu den Indigenen Mythen, die beispielsweise von Sherri Mitchell in ‚Aktivismus heißt Verbindung‘ dargelegt werden, sind erheblich und spannend. Anstrengend war für mich phasenweise die starke Fokussierung auf männliche Charaktere, ein hohes Maß an im Roman aufgezeichneter Brutalität sowie die eher konventionelle heteronormative Darstellung von Sexualität – die am Ende noch mal etwas herausgefordert wird.
Ich würde den Roman unbedingt zum Lesen empfehlen, um zum einen mehr dazu zu verstehen, wie Kriegslogiken Diskriminierte in einem Land benutzen, für das eindrückliche Beispiel der Kritik an Gefängnissen und Psychiatrien als gesellschaftlichen Institutionen und vor allem, um zu verstehen, wie individuelle und gesamtgesellschaftliche Heilung aussehen und was sie bedeuten könnte.
Leslie Marmon Silko, 1948 geboren, ist Schriftstellerin, die aufgewachsen in der Laguna Pueblo Reservation vor allem Indigene Wirklichkeiten fiktional versprachlicht. Nach ein paar Semestern Jura-Studium hat sie für sich verstanden, dass es Geschichten-Erzählen ist, welches Die Welt besser und näher zu Gerechtigkeit bringen kann als ein Arbeiten in Rechtssystemen. Der Roman macht dies eindrücklich deutlich.
[Rezension von Lann Hornscheidt]
Leslie Marmon Silko (1977): Ceremony. New York: Viking Press (Penguin Random House).
Link zum Roman auf der Homepage der Verlagsgruppe Penguin Random House
Link zum Eintrag von Leslie Marmon Silko auf der Verlagswebsite
Copyright Coverfoto: Penguin Random House (2006)