Style Sheet

Style Sheet Manuskripte und Übersetzungsleitlinien bei w_orten & meer

w_orten & meer versteht sich als ein Verlag, der diskriminierungskritische Wortungen zum Anliegen hat. Der Verlag versucht in und mit seinen Publikationen, in Gesprächen mit Autorens, Übersetzens und anderen Menschen möglichst diskriminierungskritische Ausdrucksweisen zu finden. Dies kann auch bedeuten, neue Sprachformen zu kreieren und gegebene Formen umzuwandeln. Leitlinie der sprachlichen Gestaltung ist Verständlichkeit: komplexe Diskriminierungen benennbar zu machen und dadurch wahrnehmbar; Verbindungen zu schaffen durch ein Ansprechen von Gegebenheiten, die bisher häufig nicht explizit benannt worden sind. Ein wichtiger Teil dieses sprachlichen Aktivismus ist die kritische und kontinuierliche Reflexion von strukturellen Diskriminierungsdimensionen wie Rassismen, Genderismen, BeHindert-Werden sowie weiteren Diskriminierungsdimensionen wie Klassismus und Speziesismus.

Dem Verlag ist es ein wichtiges Anliegen, dass durch die Publikationen Menschen empowert sind, die durch Sprachhandlungen ansonsten oft, und häufig wie selbstverständlich diskriminiert werden: Indem sie mit diskriminierenden Begriffen und Bildern konfrontiert werden und/oder indem ihre Lebensrealitäten nicht mitgedacht und -gewortet werden. Es ist uns wichtig, Diskriminierungen nicht fortzuschreiben und zu re_produzieren, sondern zu versuchen, diese in Ausdrucksweisen zu überführen, die umfassend und möglichst vielen verständlich sind. Wir probieren Ausdrucksweisen, die offen, verständlich und respektvoll sind. Leitgebend für Entscheidungen dazu sind die jeweils aktuellen Diskurse diskriminierter und diskriminierungskritisch arbeitender Communities oder politischer Bewegungen und deren Wünsche und Überlegungen zu diskriminierungskritischem Sprachhandeln.

Die Ansprüche und sprachlichen Vorstellungen, wie diskriminierungskritisch sprachgehandelt werden kann, verändern sich kontinuierlich und müssen sich entsprechend auch immer wieder verändern. Es gibt also nicht die eine „richtige“ Sprachregel, sondern eine Sensibilität und Offenheit für die Macht von Sprachhandlungen und ihre dynamische Anpassung an Diskriminierungssysteme.

Wir wünschen uns von Personen, die Manuskripte einreichen, Bücher oder Teile von Büchern schreiben und von Menschen, die Bücher für w_orten & meer übersetzen, eine Offenheit für die Notwendigkeit, Sprachhandlungen diskriminierungskritisch immer wieder neu und aufmerksam zu gestalten. Die einzige übergreifende Sprachregel könnte es höchstens sein zu sagen, dass unsere Publikationen Diskriminierten gegenüber so respektvoll wie möglich sein wollen.

Konkrete Beispiele momentaner sprachlicher Formulierungen, sowohl für eingereichte Manuskripte, als auch Übersetzungen:

Personendarstellungen:

  • Die Person wird zentral gesetzt, nicht ihre Eigenschaften, Bewertungen, Einlesungen, sozial geschaffenen Identitäten: Menschen werden als Menschen wahrgenommen und so beschrieben oder charakterisiert. Sie sind nicht primär Angehörige von Kollektiven/Gruppen und sozialen Identitäten, da diese strukturelle Diskriminierungen in Form von Kategorisierungen re_produzieren können. Das würde beispielsweise so ausgedrückt:
    Die Person, die feministisch/antirassistisch/diskriminierungskritisch handelt, indem sie … statt: die Feministin, *di_e Feminist*in, dex Antirassistex …
  • Wir wünschen uns, bei der Beschreibung und Bezugnahme auf Menschen jeweils die gleichen Maßstäbe anzuwenden. Eine hilfreiche Frage kann hier sein: Werden die Personen eines Textes/Abschnittes/Satzes in einer vergleichbaren Weise charakterisiert? Dies beinhaltet, zu vermeiden, Diskriminierte als Diskriminierte zu bezeichnen und Privilegierte („einfach“) nur als Menschen.
  • Wir wünschen uns, dass prototypisierende Darstellungen hinterfragt und möglichst aufgegeben werden. Hilfreich kann es hier sein, sich zu fragen: Ist die soziale Positionierung so zentral und relevant, das sie hier verwendet werden muss? Welche Funktion nimmt sie ein?
  • Wir wünschen uns, Menschen als Menschen wahrzunehmen und zu beschreiben. Dies bedeutet u. a., dass Genderungen nur dann versprachlicht werden, wenn sie von inhaltlicher Relevanz sind. Androgendernde Formen (Läufer) sind nicht genderneutral oder genderfrei. Sie verallgemeinmenschlichen männliche Vorstellungen. Momentan wären folgende Ausdrucksweisen genderfrei:
    Person/en, die läuft/laufen
    laufende Personen
    die Läufens, Singular: dens Läufens, ens Läufens
    (mehr dazu in Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla: Wie schreibe ich divers? Wie schreibe ich gendergerecht? Ein Praxis-Handbuch zu Sprache und Gender 2021: click)
  • Wenn deutlich gemacht werden soll, dass Gender eine Rolle spielt, gleichzeitig aber Zweigenderung vermieden werden soll: Der Verlag bevorzugt momentan Sternchenformen (vorher haben wir meist Unterstrichformen verwendet), Sternchen-Formen schließen wir an den (hypothetischen) Wortstamm an, also nicht zwischen der konventionalisiert männlichen und weiblichen Form. So vermeiden wir, dass Zweigenderung erneut re_produziert wird (Läuf*erin)
  • Wird Genderung als relevant angesehen in einem Text und soll explizit deutlich gemacht werden, dass es auch Personen gibt, die sich jenseits von Genderordnungen positionieren, Gender als Bezugssystem also verlassen, so nutzen wir momentan ex-Formen: Läufex.
  • Weitere und ausführliche Beispiele für viele verschiedene Ausdrucksweisen in Bezug auf ein Verlassen von (Zwei)Gendernormen finden sich in „Exit Gender“ von Lann Hornscheidt und Lio Oppenländer (2019): click
  • Wir wünschen uns, dass auch sekundäre Genderungen weitgehend vermieden werden, sofern sie nicht eine explizite Rolle einnehmen und im Text kritisch reflektiert werden. Das heißt, Ausdrucksweisen wie „männlicher Führungsstil“, „weibliche Kompetenzen“ zu vermeiden und stattdessen konkret auszudrücken, was beschrieben werden soll und in dem Kontext wichtig ist.
  • Formulierungen wie „jemand“, „niemand“, „man“ werden kreativ vermieden, z. B. durch Passivkonstruktionen („Die Uhr müsste mal wieder aufgezogen werden.“, statt: „Jemand müsste die Uhr mal wieder aufziehen.“).
    Oder durch Ersetzung dieser Formulierung durch „eine Person“, „ein Mensch“, „jemensch“, „niemensch“, „mensch“. Auch hierzu findet sich mehr in Hornscheidt/Sammla 2021.
  • Bei Übersetzungen wünschen wir uns, dass die Genderungen entweder explizit als Herstellungen benannt werden (Frauisierte statt Frauen) oder auf exkludierende Genderungen explizit hingewiesen wird (z. B. in einer vorangestellten Anmerkung, Fußnote, im Nachwort etc.).
  • In Bezug auf antirassistische Schreibweisen wünschen wir uns, dass die aktuellen Selbstbenennungen von antirassistischen Initiativen verwendet werden. Dies bedeutet momentan Schwarz (immer großgeschrieben), People of Color – PoC(s), BPoC(s), Sinti*zze und Rom*nja, Indigene Gesellschaften usw.
    Hautfarben sind immer Herstellungen und keine Substanz oder objektive Wahrnehmung. Wir wünschen uns, dass außer bei empowernden antirassistischen Benennungen Hautfarben-Bezugnahmen vermieden werden. Bei Übersetzungen wünschen wir uns, dass sie durch z. B. „sogenannte“, „vermeintliche“ oder „hergestellte Unterscheidungen nach Hautfarben“ oder eine Anmerkung zur Übersetzung geframt werden.
    Weiß“ ist eine analytische Kategorisierung der privilegierten Positionierung in Bezug auf Rassismus und wird in den Publikationen des Verlags mit kursivem „w“ geschrieben.
    Das N-Wort wird in Büchern des Verlags nicht ausgeschrieben.
  • In Bezug auf Behindert-Werden wünschen wir uns, dass die aktuellen Selbstbenennungen von Personen, die behindert werden in der Gesellschaft verwendet werden.
  • Prinzipiell wünschen wir uns, dass eher so formuliert wird, dass deutlich wird, dass Personen beHindert werden, rassistisch/genderistisch diskriminiert werden, als dass den Personen dies selbst in Form von Identitäten zugeschrieben wird.

Metaphern, die sich auf Personen oder Diskriminierungsformen beziehen:

  • Wir wünschen uns, dass diese eher vermieden und durch Metaphern und Ausdrücke ersetzt werden, die nicht Diskriminierungsformen in direkter oder indirekter Form aufrufen. Konkret hieße das im Moment in Bezug auf Rassismus: zu vermeiden „schwarz“ als eine Negativmarkierung zu verwenden („Schwarzfahren“, „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“, „Schwarz-Sehen“ oder Metaphern wie „verschleiern“ zu verwenden).
  • In Bezug auf Psychopathologisierung wünschen wir uns, dass ver_rückende Metaphern möglichst vermieden werden: statt „ein irres Bild“, „eine verrückte Aktion“, „wahnsinnig schön“ zum Beispiel genauer beschreiben, was ausgesagt werden soll: „ein detailreiches Bild mit vielen Farben und unterschiedlichen Ebenen“, „eine riskante Aktion“ und „unglaublich schön“.
  • In Bezug auf Gender wünschen wir uns, dass alle auch indirekten Verweise auf eine Welt als zweigegendert durch kreative, nicht genderistisch diskriminierende Vorstellungen und Bilder ersetzt werden. Statt Herren- und Damenräder, ‑shampoos, -frisuren, Frauen- und Männerthemen, -karrieren, -hobbies etc. beispielsweise jeweils konkret benennen, was das Thema ist und was benannt werden soll (eine Kurzhaarfrisur, ein Fahrrad mit einem tiefen Einstieg …). Hierzu findet sich mehr in Hornscheidt/Oppenländer 2019.

Es ist uns ein Anliegen, dass die vom Verlag publizierten Texte gut verständlich sind für so viele Menschen wie möglich, insbesondere aber für Diskriminierte. Wir wünschen uns, dass Texte mit möglichst wenig Fußnoten und ohne Glossar auskommen. Ungewöhnliche Ausdrücke können erklärt werden. Sätze sollten nicht unnötig lang sein, lieber mehrere Sätze draus machen. Ein Buch zeichnet sich dadurch aus, dass es sich den Raum nimmt, Dinge zu erklären. Ein Buch will kommunizieren und nicht ausschließen. Dies bedeutet mit einem Fokus auf Diskriminierungskritik, dass vor allem Diskriminierte durch die Publikationen angesprochen und empowert werden sollen. Diese sind die primäre Zielgruppe der Publikationen. Wir möchten, dass unsere Bücher für diese Zielgruppe interessant, empowernd und anschließbar sind. Da die Publikationen des Verlags diskriminierungskritischer Aktivismus sind, sollen sie möglichst vielen Menschen, die offen, neugierig und respektvoll sind, die Möglichkeit eröffnen, sich über Sachverhalte, Lebensweisen und Politiken zu informieren und nachzudenken. Sie sollen dazu empowern und ermutigen Sprache als Handlungsform zu verstehen und zeigen, dass es wichtig ist, genau diese Handlungsform – Sprache – aktiv zu gestalten, um so diskriminierungskritische verbindende Räume im Außen, in Gesprächen und im Selbstwahrnehmen zu schaffen.

w_orten & meer versteht respektvolles Kommunizieren als einen wichtigen Bestandteil einer diskriminierungskritischen Sprache.
Dies bedeutet auch, auf pauschale Zuschreibungen und negative Bewertungen zu verzichten, keine Kriegs- und Militärmetaphern und Gewaltvorstellungen zu re_produzieren, nicht ökonomische Logiken als neutral und wünschenswert zu setzen (wie in Bezugnahmen auf „effektiv“ oder „investieren“) oder dies als mögliche Veränderungen von und zu einer diskriminierungskritischen Gesellschaft nahezulegen.

w_orten & meer versteht sich als aktiv jede Form von Gewalthandlungen vermeidend, sofern dies in einer gesellschaftlichen Struktur, die durch Gewalt konstituiert ist, möglich ist. Es ist ein ausgesprochenes Anliegen, dass dies immer wieder neu herausgefordert wird. In einer Gesellschaft, die so grundlegend auf Genderismus, Rassismus und BeHindert-Werden als Normalitäten aufbaut, ist dies eine große Herausforderung. Das zeigt sich auch immer wieder und immer wieder neu in unkonventionellen Sprachformen und ‑handlungen sowie neuen Genres. Diese Veränderungen mögen für viele, die sich weniger mit der Macht sprachlicher Handlungen beschäftigt haben und die privilegiert sind, zunächst schwierig oder umständlich erscheinen, für viele andere sind es wichtige politische Veränderungen weg von struktureller Gewalt. An dieser Veränderung möchte der Verlag mit seinen Publikationen gestaltend und empowernd mitwirken.